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#16 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 3. Aug 2008 13:47
von sunny1011
helene hat geschrieben:Wie sieht es mit dem Fachschulabschluss aus?
Oft wird es nach dem Buch vorgegangen und es reicht eben nicht aus :oops: Es gibt allerdings mehr und mehr Fortbildungsangebote, die sich dann in der Praxis für eine erfahrene deutsche Krankenschwester nicht unbedingt als was neues erweisen, aber man hat danach entsprechende Papiere.
helene hat geschrieben:Ich bin Krankenschwester mit zig Jahren Berufserfahrung. Würde gern wieder stationär arbeiten.
Da würde ich die Flinte aber nicht ins Korn werfen, denn momentan wird sogar auf den Philippinen in einer grossangelegten Aktion von Opteam rekrutiert, weil es an finn. Bewerbern fehlt (im öffentlichen Bereich). Seit Jahren sind finn. (gut) ausgebildete medizinische Kräfte auf der Wirtschaftsflucht nach Schweden, Norwegen, UK. Da allerdings die Gesellschaft selbst längst nicht so offen ist, sich auf "fremde" mit nicht perfekten Sprachkenntnissen einzulassen, muss diese schwierige Sprache und lokale medizinische Standards zu erlernen und mit einem entsprechenden Widerstand rechnen, ohne es persönlich zu nehmen. Nicht zuletzt ist es aber auch eine Kostenersparnis, denn gezahlt wird in Fin etwa 1600 e brutto für die ausländischen Krankenschwester (für sie bedeutet es jedoch fünf-sechsfach mehr als auf den Philippinen, nur es ist schon enorm schwierig, die finn. Lebenshaltungskosten damit zu bestreiten). Ich schätze, das würden sie einer Deutschen mit Erfahrung nicht anbieten, aber 2500 Euro ist schon ziemlich viel in dieser Branche, sogar nach den harten Tarifverhandlungen vom letzten Jahr, die uns einen Riesenstreik beschert haben.
helene hat geschrieben:Sind die finnischen Kollegen offen für die Integration eines Neuen?
Ehrlich gesagt, nein, aber es ändert sich neuerdings viel. Man kann es pauschal schlecht sagen, je nachdem wen man vor sich hat (ältere, jüngere, Leute, die sehr einheimisch eingestellt sind, oder offen und neugierig). Es kann passieren, dass man die richtige Stelle findet, aber man muss manchmal eine langen und frustrierende Suche auf sich nehmen (und sie vor allem finanzieren). Ich bin superzufrieden, bin aber in einer jungen, dynamischen Branche tätig und habe acht Jahre lang die schwere Sprache gelernt (und dabei das Glück gehabt, in internationalen Umgebung zu arbeiten). Jetzt hab ich auch den Einstieg in einer sehr lokalen Umgebung geschafft und fühle mich gut integriert und akzeptiert (mit all meinen Fehlern :) ). Finnen, die auf die neue Welle des Multikulti vorbereitet sind, die Neuen selbstbewusst als Kollegen und keine Konkurrenten ansehen, sind sehr angenehme Zeitgenossen, hilfsbereit und angenehm im Umgang. Momentan merkt man die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und das Leute langsam umdenken. Was in D von Kebabbude bis zum Putzdienst und Obsthändler passieren kann, nämlich, dass jemand fehlerhaft und mit Akzent spricht, löst hier vor allem bei der älteren Generation oftmals noch Widerstand und Schmollen. Aber Not macht erfinderisch.
helene hat geschrieben:Hat jemand Krankenhaus-Erfahrung in FIN, als Mitarbeiter oder Patient? Welcher Unterschied zu D? :wink:
Viele die in Finnland hier im Forum sind wieder weggezogen, und sind nicht mehr so aktiv hier, aber ja, gab's.

Patienterfahrungen sind sehr unterschiedlich. Die meisten Berufstätigen haben eine private Zusatzleistung des Arbeitgebers und den Vorteil, eine Private Grosspraxis in Anspruch zu nehmen, ohne dazu zu bezahlen. Die öffentlichen Leistungen sind derzeit überlastet und es gibt ziemlich lange Warteschlagen, je nachdem wo (mein Zahnarzttermin war 14 Monate Wartezeit in einer Stadt von 40.000 Einwohnern, Wartelisten wurden zeitweise sogar gesperrt). Die Leistungen, die nicht vom Arbeitgeber abgedeckt sind, sind recht teuer (aber sicherlich günstiger als ein Ärztehonorar, wenn man ihn in D aus eigener Tasche bezahlen würde). Dann allerdings muss man die Rechnung bar bezahlen und eine Rückerstattung von der zentralen Sozialversicherungsanstalt einfordern, bleibt aber idR auf gut 70-80% der Kosten sitzen, da die Tarife, die der Abrechnung zu Grunde gelegt werden sind nur ein Bruchteil des tatsächlichen Ärztehonorars. Die Gebühren in den öffentl. Gesundheitszentren sind allerdings recht niedrig (15e Eigenanteil).

Zwar gibt es hier einen Thread über die Sozialversicherung, aber es ist voll von Zeitungs-horrorgeschichten und indiv. Erfahrungen, also davon sollst Du Dich nicht abhalten lassen. Die Politiker arbeiten derzeit an einer gründlichen Sanierung, da die eingeführte "Behandlungsgarantie", sprich, dass jeder im öffentl. System die Garantie hat, spätestens in einem halben Jahr dran zu kommen, vielerorts (besonders in Hinsicht auf OP-Termine und zahnärztlicher Versorgung) nicht eingehalten werden konnte. Inzwischen "kaufen" grössere Städte wie Helsinki Gutscheine zu Privatpraxen und verteilen sie an Behandlungsbedürftige, sprich, sie dürfen die privaten Dienste zu der günstigen Gebühr in Anspruch nehmen, weil das öffentliche System der Pflicht nicht nachkommen kann.

Deutsche Mitarbeiter haben idR einen guten Ruf, also man kann es immer probieren. Berufserfahrung muss schlichtweg auch überzeugen. Viel Erfolg!

Alles nur meine pesönliche Sicht der Dinge und Neuigkeiten aus der Presse.

#17 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 3. Aug 2008 21:57
von Peter
sunny1011 hat geschrieben:
Peter hat geschrieben: Ich entschuldige mich, dass ich in vielen Punkten widersprechen musste.
Dafür musst du dich doch nicht entschuldigen! Ich weiß, mein Beitrag ist sicherlich ein wenig krass ausgefallen, vielleicht auch provokativ. Andererseits ist es aber so, dass im Gegensatz zum handwerklichen Bereich, wo viel mehr Wert gelegt wird auf Berufserfahrung und tatsächliches Können anstatt toller Zeugnisse, im erzieherischen und pädagogischen Bereich mehr auf die Ausbildung und die Sprachkenntnisse geachtet wird. Diese Erfahrung haben jedenfalls zwei ehemalige Kommilitoninnen von mir vor vielen Jahren gemacht. Die allergrößte Hürde war bei den beiden ihre mangelhaften finnischen Sprachkenntnisse. Immer wieder mussten sie sich bei Vorstellungsgesprächen sagen lassen, dass ihr Volkshochschulfinnisch in anderen Bereichen vielleicht ausreichend sei, nicht jedoch in der Vorschularbeit. Kurzum: Beide haben nie einen vollwertigen Job als Dipl.-Sozialpädagoginnen in Finnland erhalten und mussten sich mit Tätigkeiten und deren Bezahlung zufrieden geben, die nicht ihrer Ausbildung entsprachen.

Es mag durchaus sein, dass die Finnen das heute etwas lockerer sehen. Andererseits ist es nicht so, dass die finnischen Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen Probleme mit ihrem Nachwuchs haben. Jedenfalls muss der deutsche Bewerber bzw. die Bewerberin wissen, dass er/sie bei der Stellensuche immer mit finnischen Bewerbern konkurriert. Wie sieht es denn umgekehrt aus? Haben z.B. türkische, russische oder meinetwegen auch finnische Migranten bei der Arbeitssuche in Deutschland tatsächlich gleich gute Chancen wie deutsche Bewerber? Die große Chance für eine deutsche Erzieherin sehe ich, ich erwähnte es bereits, in einem bilingualen, finnisch-deutschen Kindergarten.

#18 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 3. Aug 2008 23:22
von Tenhola
@Peter ich kann Deine Ausfuehrungen nur unterstuetzen.
Allgemein aber habe ich festgestellt, dass gerade bei Anfragen von Arbeitssuchenden einfach zuviel mit reinen Vermutungen geantwortet wird. Ich meine es ist dem Arbeitssuchenden auch nicht gedient, wenn er nur Vermutungen und falsche Aussagen zu lesen bekommt. Man muss ja nicht immer auf jede Anfrage antworten, wenn man nichts mit dieser Berufsgruppe persönlich zu tun hat oder nicht präziese Informationen besitzt. Ich wollte damit einfach sagen, dass es sicher besser wäre, wenn eine Person aus dem entsprechenden Beruf die benötigten Antworten geben würde insofern eine solche überhaupt im Forum ist. Ausserdem ist es in der heutigen schnelllebigen Zeit so, dass was gestern noch Gültigkeit hatte heute schon lange wieder überholt ist.

#19 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 4. Aug 2008 06:03
von sunny1011
Eben, eins der Hintergründe kann ja ebenfalls ein allgemeiner Eindruck im Bewerbeverfahren sein - der unterscheidet sich in Finnland sehr von Deutschland. Ich hab mich gut 3-4 Jahre durchgehend und intensiv um einen Job(wechsel) beworben (würde jetzt keine Zahl von Schreiben und Gesprächen nennen, es waren genüngend welche da :oops: ) und in dieser Zeit auch selbst Leute zusammen mit Finnen eingestellt, deswegen meld ich mich zu Wort, nicht umzu vermuten. Natürlich sind1-2 Personenbeispiele aus der Berufsgruppe hilfreicher und wertvoll. Wieso aber nicht einfach anhand von einer Mischung von beiden selbst versuchen? Die Berufsgruppe ist zwar nicht die meinige, allerdings muss man im heutigen Finnland es einfach auch wagen. Schon wieder im Morgen-TV sass ein Arzt, und diskutiert wurde, dass sie nicht die entsprechend kompetenten und passenden Kandidaten finden. Und es gibt Mangel an Personal. Das ist doch erster Schritt dazu, umzudenken und das zeigt sich ganz deutlich an allen Ecken. Andererseits ist es aber auch eine Modeerscheinung in allen Ländern zu sagen "Wir haben nicht genügend kompetente und ausgebildete Arbeitskräfte im Land).

In bestimmten Bereichen ist es in Deutschland (z.B. in der Entwicklung und Technologie) wirklich weltorientierter, bessere Chancen zu haben als ein Deutscher, wenn man als Guru eines Bereichs gilt und das ist z.B. in der Pharmaindustrie & Entwicklung in Finnland heutzutage nicht anders. Nur in einem kleineren Format. Ein anderes Beispiel ist, dass z.B. Muttersprachlerlehrer für Sprachen längst ein Muss sind in D, in Finnland zieht man noch vor, dass ein Finne eine Sprache unterrichtet - ein Fehler, besonders im Übersetzungswesen. Man kann den ganzen Arbeitsmarkt nicht pauschal definieren, genauso wie bestimmte Arbeitsgruppen schwarz-weiss darzustellen. Ich sehe die heutigen Strukturen Finnlands rasant flexibler als sie je waren, liegt aber auch an der Philosopie und an den Leuten. Eine Mischung aus Deutsch-Finnisch wäre natürlich ein gutes Berufsprofil. Ich wollte lediglich betonen, dass es in erster Linie nicht darum geht, dass es grundsätzlich "schlechter" ist, deutsche Ausbildung zu haben. Finnen kochen auch nur mit Wasser oder wieso fehlen Bewerber bei soviel Studierenden und Absolventen? Ein vielbesprochener Aspekt in div. Seminaren war z.B. mangelnde Kompetenz Ausländerkinder fachmännisch zu integrieren, weil es keine Resourcen gibt, um sich mit dem kulturellen Hintergrund des Kindes auseinanderzusetzen bzw. es überhaupt genügend zu kennen. Schon wieder eine Marktlücke.

#20 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 4. Aug 2008 14:39
von Tenhola
Das hat man davon, wenn man sein eigenes Schweigegelübte bricht.
"Gott" straft sofort.

#21 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 4. Aug 2008 19:49
von helene
Vielen Dank für eure Berichte. Auf jeden Fall gestaltet sich das Hineinfinden in eine andere Kultur als wahre Herausforderung. Einerseits bin ich froh, dass hier in D auch vieles gut/ manches besser ist, weil ich halt momentan hier leben muss trotz Finnlandweh und andererseits sehe ich dort Werte, die mir wichtig geworden sind im Laufe meiner Entwicklung, die mir hier schlichtweg fehlen. Nun gut, ich fühle mich auch eher der finn. Mentalität zugehörig...

#22 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 26. Aug 2008 18:03
von sunny1011
Aus dem Klönschnack:
Lahja hat geschrieben:
sunny1011 hat geschrieben:
Lahja hat geschrieben:Ich beschäftige mich gerade mit der Frage was ich eigentlich will? (kleine Zukunftsidentitäskrise)
Lass Dich bloss von Finnischen inside the box :x Denken nicht aus der Bahn werfen! Nicht jeder ist so und doch, Dein Studium zählt. Es ist immer eine gute Basis, um weiterzumachen.
Mittlerweile stelle ich generell den Lehrerberuf in Frage.
Hast Du vielleicht bei Ammatillinen opettajakorkeakoulu bei HAMK in Hämeenlinna nachgefragt? http://portal.hamk.fi/portal/page/portal/HAMK/AOKK
Es gibt viel mehr als "Klassenlehrer" (nicht, dass es wenig wäre, aber der Fortschritt geht weiter). Hier noch mehr auf Englisch http://portal.hamk.fi/portal/page/porta ... KK/English Sie engagieren sich auch in internationalen Projekten und vielleicht könnte man nach einem Praktikumplatz fragen? Ich hab selbst für sie als Abschlussarbeit für eine andere Hochschule ein kleines Projekt gemacht, natürlich ohne Bezahlung aber war eher meine Eigeninitiative, denn ich hab nach einem interessanten Thema gesucht.

Sie bieten eine Menge an ungewöhnlichen Richtungen, neue Medien für Lehrer usw. Zwar ist dort nichts direkt auf Englisch oder so, aber HAMK ist sehr aktiv auf der internationalen Front und hat die Mängel an interkulturellen Kompetenzen längst erkannt. Jedes Jahr im April sind sie (Mit)veranstalter von der ITK Konferenz www.itk.fi Dort gibt es auch einen englischen Teil. Nach längeren Pause nehme ich im September an der Konferenz über mobiles Lernen teil (damit können Finnen ehrlich gesagt ein wenig übertreiben, oder muss jetzt der Ablauf von Hausaufgaben per SMS übermittelt werden :oops: ).

Eine zweite gute Stelle könnte http://ok.helsinki.fi/ Opetusteknologiankeskus der Uni Helsinki sein.

Im welchen Bereich bewegst Du Dich im Moment? Nur nicht die Flinte ins Korn werfen - sisua.

#23 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 14. Mär 2009 15:39
von Antaria86
was für sprachen, neben finnisch natürlich, werden denn gesucht in finnland? ich arbeite in der gastronomie...

#24 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 14. Mär 2009 16:01
von Tenhola
Je weiter westlich (inkl. Helsinki) ist eine Verständigung in schwedisch sicher von Vorteil. Englisch kann man eigentlich schon voraussetzen, vor allem in von Touristen frequentierten Lokalen.

#25 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 7. Jun 2010 13:20
von dani
Hallo,

ich will mich in Finnland für ein FSJ oder Praktikum bewerben, habe auch schon Musterbewerbungsformulare/Ansioluettelo gefunden (gibt's hier http://www.aarresaari.net/tyonhakuopas2.htm , auf finnisch). Allerdings hänge ich an einem ziemlich banalen Problem: welche Anrede + Verabschiedung verwendet man?? Es ist ja im normalen Sprachgebruach nicht üblich, rouva/herra zu benutzen, macht man das im Anschreiben?

kiitos dani

#26 Re: Bewerben in Finnland

Verfasst: 7. Jun 2010 18:08
von sunny1011
In Finnland ist selten die Kontaktperson der Empfänger der Bewerbung, es geht dann erst an die Personalabteilung ohne konkreten Ansprechpartner und eine E-Mail wie rekry@ usw.

Korrekt (so hab ich es verwendet und in einigen Kursen gelernt) heisst es

Hyvä vastaanottaja,

Endgruss ist

Ystävällisin terveisin,

falls mir jetzt keine Tippfehler unterlaufen sind.

Aus Schwedisch k.A.