#46 Re: Studienfinanzierung im Vergleich
Verfasst: 19. Mai 2007 19:11
Hier geht´s weiter:
Quelle: http://www.gew-berlin.de/blz/5750.htmUnd in Deutschland?
Wer diese Unterstützungsleistungen mit Deutschland vergleicht, dem wird auffallen, dass Bildungsgeld plus -kredit und potenzieller Wohnunterstützung höher als unser BAföG-Höchstsatz sind, sich jedoch ähnlich zusammensetzen. Positiv am finnischen Ansatz ist, dass viel mehr Studierende (71 gegenüber 23 Prozent) als in Deutschland gefördert werden, da die Bemessungsgrenzen viel großzügiger ausgestaltet sind. Erhält man bspw. für 9 Monate pro Studienjahr Unterstützung, ist es erlaubt, bis zu 9.090 Euro in diesem Jahr hinzuzuverdienen. Negativ ist anzumerken, dass die Bedingungen, die zu erfüllen sind, um in den Genuss solch staatlicher Leistungen zu kommen, in den letzten Jahren zunehmend verschärft worden sind (mehr zu erbringende ECTS-Punkte pro Semester etc.).
Auch vermag hier kaum ein Studierender mit dem Geld auszukommen, da die Lebenshaltungskosten in Finnland sehr viel höher sind als in den meisten Teilen Deutschlands, und ist daher auf einen Zuverdienst angewiesen. So setzt sich laut "Eurostudent Report 2005" das studentische Einkommen deutscher Studierender aus 51 Prozent familiärer Unterstützung, 27 Prozent Nebenverdienst, 13 Prozent staatlicher Unterstützung und 9 Prozent sonstigen Einnahmen zusammen, während finnische Studierende sich und ihr Studium vermittels 11 Prozent familiärer Unterstützung, 52 Prozent Nebenverdienst, 30 Prozent staatlicher Unterstützung und 7 Prozent sonstigen Einnahmen finanzieren; in Deutschland sind 66 Prozent, in Finnland 65 Prozent der Studierenden auf Nebenverdienste angewiesen. Dennoch: In Finnland funktioniert all dies ganz ohne Gebühren. Mehr noch: Anders als in Deutschland wird hier nicht einmal über so genannte "allgemeine Studiengebühren" diskutiert - und dies, "obwohl" es mit seinem - vor Jahren bei der DDR entlehnten - Bildungssystem eines der Bildungsvorzeigeländer nicht nur Europas ist.
Doch was bedeutet es eigentlich, wenn in den Medien von "Bildungsrankings" die Rede ist, die PISA-Studie besprochen wird und ähnliches? Was bedeutet es, dass die "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (OECD), deren satzungsgemäße Ziele es unter anderem sind, für eine optimale Wirtschaftsentwicklung und eine Ausweitung des Welthandels zu sorgen, nationale Bildungssysteme vergleicht?
Bildungsrankings und ihre Aussagekraft
Tatsächlich hat die PISA-Studie, deren Ziel es ist, die alltagsrelevanten Kenntnisse 15-jähriger Schülerinnen und Schüler zu messen, in Finnland - ebenso wie Japan und Südkorea - einen "Sieger" ausgemacht. Und tatsächlich hat das finnische Bildungssystem einige Stärken, die bemerkenswert sind. Was jedoch neben anderer berechtigter Kritik an dieser Studie viel zu oft medial verloren geht, ist die Tatsache, dass hier ausschließlich "Leistung" gemessen wird - und somit herzlich wenig über Kinder und Jugendliche sowie deren Lernbedingungen ausgesagt ist, was nicht nur die Tatsache aufzeigt, dass in Japan und Südkorea die weltweit höchste Selbstmordrate unter Schülerinnen und Schülern herrscht.
Finnische Probleme
Dass auch in Finnland nicht alles Gold ist, was glänzt, ergab die "Yliopisto-opiskelijoiden terveystutkimus 2004" (eine Gesundheitsuntersuchung unter Universitätsstudierenden). Ihr zufolge leiden 19 Prozent der männlichen und 30 Prozent der weiblichen Studierenden an psychischen Problemen. Die am meisten genannten Probleme sind hierbei: Ständige Überarbeitung; Gefühle von Unglück; Depression; die Unfähigkeit, sich zu konzentrieren. Ein Drittel aller Studierenden hat sich im Laufe des letzten Semesters vor der Befragung dauerhaft überarbeitet gefühlt. 31 Prozent der Befragten fanden die universitäre Unterstützung und die Beratungsangebote mangelhaft; 17 Prozent empfanden sie als völlig unzulänglich.
Doch Gold hin oder her, eines hat der PISA-Hype auch dem sozialdemokratisch-kapitalistischen Finnland bereits beschert: Eine Debatte über (nicht-allgemeine) Studiengebühren - zuerst für Nicht-EU-BürgerInnen.