Waldbrandgefahr

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sieg01
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#1 Waldbrandgefahr

Beitrag von sieg01 »

Ich nehme dies https://yle.fi/news/3-12454538
mal zum Anlass das Thema aufzumachen.

Obwohl Finnland weit im Norden liegt, brennt es auch hier regelmässig.
Dies ist auch einer der Hauptgründe warum es keine wirklich alten Oschis an Bäumen gibt. Ganz so wie in anderen waldreichen Regionen unseres Planeten.
Dies mußten wir während einer Führung im Nationalpark Seitseminen lernen, als wir mit einer Reisegruppe zu Besuch gewesen sind.
https://en.wikipedia.org/wiki/Seitseminen_National_Park
https://www.nationalparks.fi/seitseminennp/services

Das ist aus mitteleuropäischer Perspektive fast nicht zu glauben. Immerhin haben wir all die Seen, Flüsse und Bäche vor Augen. Und bei so viel Wasser sollte es doch auch regnen und somit Nass sein. Aber das mit dem vielen und häufigen Regen stimmt so nicht. Wolkig, diesig, nebelig kann schon sein. Aber eben nicht der Regen.

Also wer in Finnland einen Outdoor-Urlaub oder sonstige Outdoorereignisse plant, soll die Waldbrandwarnungen und Warnstufen ernst nehmen und mit dem offenen Feuer nicht spielen oder gar eins machen! Auch nicht an den öffentlichen Feuerstellen.

Bei uns hier im südwesten Finnlands kam die grüne Pracht erst im Laufe der vergangenen Tage so richtig zur Erscheinung. Das bischen Wasser, dass hier vom Himmel viel, hat der Natur dazu ausgereicht. Denn zuvor fehlte einfach das Wasser und es war richtig staubig. Die Städter in Finnland können gerade nach diesem Winter ein Lied davon singen.
Aber Nass ist es vor der Tür trotzdem nicht.

So, doch nun darf ich das erste Mal in diesem Jahr den Rasen mähen :D
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Sapmi
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#2 Re: Waldbrandgefahr

Beitrag von Sapmi »

Gerade hatte ich im Russland-Thread noch geschrieben, dass ich ja zur Not Feuer machen kann, falls es keine Gaskartuschen gibt. :mrgreen:

Aber ist natürlich klar, das geht nur, wenn nicht gerade "Metsäpalovaroitus" ist. Auch in Lappi kommt das ja im Sommer immer mal wieder vor. Dann ist der Gaskocher schon besser, sofern man nicht sowieso irgendeine Hütte oder Kota zur Hand hat, in der es meist einen Holzofen, manchmal in Hütten einen Gasherd oder halt wenigstens eine "offene" Feuerstelle gibt, die dann aber im geschlossenen Raum nicht als offenes Feuer gilt. Aber Laavu & Co. nützt dann halt nix, das ist offen, also darf man auch die Feuerstelle nicht benutzen.
Vor ein paar Jahren wurde übrigens auch klargestellt, dass ein sog. "risukeitin", auch Hobo-Ofen genannt, in FIN als offenes Feuer gilt. Bin mir gerade nicht sicher, wie es bei Spiritus- und Benzinkochern aussieht, aber Gaskocher sind auf jeden Fall ok.

Was ich persönlich immer etwas schwierig finde, ist die Frage, ob überhaupt gerade Feuerverbot ist. Man kann sich vor der Wanderung informieren, aber im Laufe der Tage kann es sich ja schnell ändern. Ich leiste mir erst seit vorletztem Sommer die Möglichkeit, auch von unterwegs mal online zu gehen (sofern ich Netz habe), da kann man sowas natürlich im Zweifelsfall nachlesen. Davor war das immer irgendwie unsicher, auch wenn man natürlich ein Stück weit die Situation in etwa selbst abschätzen kann, z. B. bei anhaltender Trockenheit. Aber im Sommer 2019 gab es z. B. zuerst so eine trockene Hitze in (Nord-)Lappland, dann schlug plötzlich das Wetter um, es wurde deutlich kühler und nieselte immer wieder z. T. stundenlang vor sich hin. Also ging ich davon aus, dass sich das mit der Waldbrandgefahr jetzt wohl erledigt hat, und habe dann an einem Laavu ein Feuer gemacht. 2 Tage später habe ich erfahren, dass die Warnung immer noch nicht aufgehoben worden war, was mich zunächst etwas gewundert hat, aber es ging wohl darum, dass der Boden nach einer besonders langen Trockenheit noch länger braucht, das bisschen Nieseln bringt da nicht viel.

sieg01 hat geschrieben: 21. Mai 2022 06:11 IUnd bei so viel Wasser sollte es doch auch regnen und somit Nass sein. Aber das mit dem vielen und häufigen Regen stimmt so nicht. Wolkig, diesig, nebelig kann schon sein. Aber eben nicht der Regen.
Jep, Kontinentalklima halt.
Dazu habe ich vor vielen Jahren mal irgendwo gehört oder gelesen, dass es zumindest in Lappi eigentlich zu wenige Niederschläge gibt, um der dort wachsenden Vegetation ausreichend Wasser zu bieten. Wenn im Zuge der Erderwärmung die Böden weiter auftauen (richtigen Permafrost gibt es in FIN-Lappland ja nur noch an sehr wenigen Ecken, aber über weite Gebiete taut der Boden eben bisher auch nur verhältnismäßig kurz auf), würde Lappland wohl irgendwann zumindest teilweise zu einer Wüste werden.
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André
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#3 Re: Waldbrandgefahr

Beitrag von André »

Die Informationen, die Ihr im Seitseminen bekommen habt, sind in dieser Form irreführend. In den letzten 70 Jahren gab es etwa 10 000 Waldbrände, die im Jahr durchschnittlich 7620 Hektar Waldfläche zerstört haben. Das steht einer Fläche von insgesamt 26,3 Millionen (!) Hektar Waldfläche in Finnland gegenüber. Einen Zusammenhang aus unkontrollierten, versehentlich herbeigeführten Waldbränden und dem Fehlen alten Baumbestandes kann man daher nicht konstruieren. (Quelle wikipedia.fi "Metsäpalo", "Suomen metsät")

Das es in Finnland keine, oder kaum wirklich alte Bäume gibt hat andere, historische Ursachen. Einmal wurde in Finnland für ein paar Tausend Jahre Schwendwirtschaft betrieben. Ein Stück Wald wurde kontrolliert niedergebrannt und darauf wurden Felder angelegt. Diese Felder hatten jedoch nur etwa ein Jahrzehnt genug Nährstoffe und Mineralien für einen guten Ernteertrag und so sind die Waldbauern weitergewandert und haben das nächste Stück niedergebrannt. Diese Praxis existierte bis ins 19. Jahrhundert und hatte einen starken Einfluss auf die Waldentwicklung. Noch heute kann man, wenn man kundig ist, in den Wäldern ehemalige Schwendflächen am veränderten Pflanzenbewuchs erkennen (Informationen dazu findet man auf Schautafeln im Petkeljärvi Nationalpark). Vor allem im 19. Jahrhundert war Finnland einer der großen Exportländer für Holz. Mitte des 19. Jahrhunderts waren gute Teile Mittel- und Südfinnlands Kulturlandschaften. Also völlig anders, als heute, wo 75 Prozent der Fläche von Wald bedeckt sind. Auch wenn es keine verlässlichen Messungen aus jener Zeit gibt, so gibt es doch eine Karte von C. W. Gyldén aus dem Jahre 1850 , die den Waldbewuchs Finnlands in etwa kartografiert: https://smy.fi/wp-content/uploads/2017/ ... t_1850.pdf

Wenn man alte Bäume in Mittel- oder Südfinnland finden möchte, dann muss man in felsigen Hanglagen suchen. Diese schwerer zu bewirtschaftenden Stellen wurden eher mal stehengelassen.

In Lappland wurden die alten Wälder erst nach den Weltkriegen erheblich dezimiert. Eigentlich sind die Wälder Lapplands wirtschaftlich nicht so interessant, aber im Zuge der Reparationszahlungen an Russland und die Unterbringung der Karelienflüchtlinge, sowie den Wiederaufbau Lapplands mussten die nördlichen Waldgebiete geplündert werden. Dabei ist viel verlorengegangen. Trotzdem findet man in Lappland, gerade in den Randzonen zu den Tunturis, noch zahlreiche alte Bäume.

Die heutige Waldwirtschaft in Finnland rodet ganze Flächen und lässt nur "Samenbäume" mittleren Alters stehen bleiben. Man steht also immer entweder vor einer Kahlschlagfläche mit einzelnen Restbäumen oder findet Stücke, bei denen junger Wald aufschießt, die also in den letzten Jahren/Jahrzehnten gerodet wurden und "erntereife" Wälder mit einem Alter von 60 bis 80 Jahren. Etwa 20 Mio. Hektar werden auf diese Weise wirtschaftlich genutzt. In einem Radiobeitrag hat ein Fachmann mal von "Baumfeldern" gesprochen. Um den finnischen Wald zu verstehen, darf man sich ihn nicht als Urwald vorstellen, sondern als Baumkulturfläche. Daher gibt es kaum alte Bäume südlich von Lappland.
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#4 Re: Waldbrandgefahr

Beitrag von André »

Im Übrigen werden kontrollierte Vorsorgebrände auch heute noch in Finnland gelegt, unter anderem auch in Nationalparks: https://www.metsa.fi/projekti/paahde-li ... ankkeessa/

Feuer ist per se keine Gefahr, sondern die Gefahr entsteht im falschen Umgang damit. Ein Großteil der Waldbrände in Deutschland werden durch unachtsam weggeworfene Zigaretten ausgelöst. Einen Waldbrand kann man problemlos auch mit einem Alkohol- oder Benzinkocher auslösen, wenn man mit dem Fuß dranstößt, oder mit einem Gasbrenner, wenn man in falsch aufstellt. Ich bevorzuge nach wie vor meinen Holzvergaser, auch weil er den kleinsten ökologischen Fußabdruck hinterlässt.
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#5 Re: Waldbrandgefahr

Beitrag von sieg01 »

Dickes Danke Andre!
Super erklärt und verlinkt.


Weiß nicht ob das hier passt:
Weil das hier ein deutschsprachiges Forum ist und nicht jeder Leser der finnischen Sprache mächtig ist, wäre es hilfreich wenn jemand das eine oder andere verlinkte finnischsprachige Dokument übersetzen könnte. Dann tut sich auch ein "Neu-Interessierter" leichter.
Es geht da nicht um perfekte Übersetzung sondern nur soweit, dass ein Neuling eben an die Hand genommen wird.
Wir wissen, dass die KI der OnlineÜbersetzer Schwierigkeiten mit der finnischen Sprache haben :D
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#6 Re: Waldbrandgefahr

Beitrag von Tenhola »

André hat geschrieben: 22. Mai 2022 11:00 Ich bevorzuge nach wie vor meinen Holzvergaser, auch weil er den kleinsten ökologischen Fußabdruck hinterlässt.
Zur Verwendung dieses Kochers findet man im Netz unter dem Begriff Risukeittimet diverse Artikel.
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Sapmi
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#7 Re: Waldbrandgefahr

Beitrag von Sapmi »

Danke für die ausführlichen Infos.

André hat geschrieben: 22. Mai 2022 11:00
Feuer ist per se keine Gefahr,
Wie man’s nimmt: Klar gehört Feuer zur Natur und in so riesigen Wildnisgebieten, wie es sie z. B. in Alaska gibt, werden natürlich (z. B. durch Blitz) entstandene Buschfeuer in abgelegenen Gegenden oft gar nicht gelöscht, sondern nur beobachtet, da es sich auch um einen natürlichen Erneuerungsprozess handelt. Aber an den „falschen“ Stellen kann Feuer halt bekanntlich doch zerstörerisch werden.
sondern die Gefahr entsteht im falschen Umgang damit.
Natürlich geht es immer um den Umgang. Wenn man sich richtig dumm anstellt, kann man bestimmt auch ohne akut gemeldete Waldbrandgefahr einen Brand auslösen. :wink:
Das Besondere an (u.a.) Finnland im Vergleich zu Deutschland ist aber doch auch, dass man dort den Menschen ein entsprechend verantwortungsvolles Verhalten zutraut, sonst würde das ganze Jedermannsrecht keinen Sinn ergeben (auch die offenen Hütten und Kotas basieren ja auf diesem Prinzip des Vertrauens). Wenn offenes Feuer dennoch unter bestimmten Witterungsbedingungen verboten wird, dann liegt es meiner Meinung nach daran, dass man z. B. möglichen Funkenflug nicht vollständig unter Kontrolle hat. Da sich die Einhaltung des Verbots aber wiederum nicht oder höchstens stichprobenartig überprüfen lässt, wird auch hier wieder auf Vertrauen gesetzt.


@sieg01:
Zu den finnischen Links: Ja, maschinelle Übersetzung ist nach wie vor mit großer Vorsicht zu genießen, und vermutlich wird das auch noch sehr lange so bleiben. Aber es gibt schon Fortschritte. Probier mal www.deepl.com, da kommt mittlerweile nicht mehr allzu viel Mist raus.
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