Klaus schrieb:
Ich würde wegen einem Punkt nicht gleich alles in Frage stellen.
Ich stelle in der Regel schon aus prinzipiellen Gründen in Frage alles, was ich lese. Der zweite Programmpunkt habe ich als kein Argument gegen den anderen Programmpunkten angeführt. Ich habe nur festgestellt, dass ich auf den zweiten Programmpunkt spontan aufmerksam wurde. Auch die anderen Programmpunkte hätte ich näher begründet, obwohl es den zweiten Programmpunkt gar nicht gegeben hätte.
Naja, ich würde die ganze Sprachsache nicht als populistisch einstufen.
Die Sprachsache selbst ist natürlich nicht populistisch, aber man kan die sprachpolitischen Meinungen vieler Åländer für populistische Zwecke benutzen, beispielsweise eben durch die Bildung eines Sprachausschusses, obwohl es für diesen Sprachausschuss wohl keine wirkliche Bestellung gibt.
Zum Beispiel Jurastudenten mit schwedischem Abschluss können zumindest nicht offiziell auf Åland arbeiten, weil sie kein finnisches Staatsexamen (auf Finnisch) haben.
Das Problem mit der rechtswissenschaftlichen Ausbildung hatte ich auch in einer früheren Diskussion gesprochen. Ich hatte es in der Tat als Beispiel angeführt, warum Finnisch auf Åland eine Pflichtsprache in den Schulen sein sollte - dann könnten Åländer Jura in Finnland studieren. Du hast damals gesagt, dass Åländer das ja eben gar nicht wollen. In dieser rechtswissenschaftlichen Ausbildungsfrage geht es aber nicht nur darum, was die Åländer wollen und was nicht, denn:
a) Die Beschwerdeinstanz des Amtsgerichts von Åland (Ålands tingsrätt) ist das Hofgericht von Turku (Turun hovioikeus / Åbo hovrätt). Das heisst mit anderen Worten, dass Urteile des Amtgerichts von Åland im Hofgericht von Turku angefechtet werden. Als einer der grössten Risikofaktoren der Rechtssicherheit den Åländer gegenüber gilt eben, dass åländische Juristen häufig ein reichsschwedisches rechtswissenschaftliches Vokabular verwenden, welches im Finnischen / Finnlandschwedischen Hofgericht von Turku häufig Interpretationsschwierigkeiten veranleitet. Dies wurde uns im vorigen Jahr explizit betont, als wir im Anschluss zum Studium auf einer Exkursion in diesem Hofgericht waren. Einerseits wird das Risiko für substantielle Fehler in den Interpretationen erhöht und andererseits führen die Interpretationsschwierigkeiten zu verlängerten Behandlungszeiten, was auch geeignet ist, die Rechtssicherheit der Åländer zu gefährden.
b) Das Amtsgericht von Åland (Ålands tingsrätt) fungiert als Seerechtsgericht (Sjörättsdomstol) im Gerichtskreis des Hofgerichts von Turku. Das heisst mit anderen Worten, dass im Amtsgericht von Åland Seerechtsfälle auch aus dem finnischen Festland behandelt werden, weshalb es wiederum im Namen der Rechtssicherheit der Festlandsfinnen notwendig ist, dass die Richter im Amtsgericht von Åland das finnische / finnlandschwedische rechtswissenschaftliche Vokabular beherrschen.
Dass Åland an Schweden angeschlossen werden oder sich für unabhängig erkären könnte, ist klar. Dann müsste natürlich das finnische beziehungsweise das åländische Gerichtswesen umorganisiert werden, und es gäbe sicherlich viele plausible Lösungen. So lange Åland aber zu Finnland, dem finnischen Rechtssystem und dem finnischen Gerichtswesen gehört, scheint es mir etwas unverantwortlich und naiv zu sein, nur so die rechtswissenschaftliche Ausbildung mit der von Schweden zu harmonisieren, denn dadurch gefährden die Åländer nicht nur ihre eigene Rechtssicherheit, sondern auch die der Festlandsfinnen.