(Quelle:
http://www.rp-online.de - 19.06.06)
München (rpo). Nun ist dem wilden Bären die beste Spürnase Finnlands auf der Spur - und doch hält JJ1 seine Jäger zum Narren. Weil er immer weniger Angst hat vor Menschen, wird er zunehmend zur Gefahr. Schon warnen Experten, der Braunbär könnte es ungehindert bis nach München und in den Englischen Garten schaffen.
Der Leiter der Naturschutzabteilung des Ministeriums, Christoph Himighofen, warnte in einem Interview: „Dieser Bär muss schnell aus aus der freien Wildbahn genommen werden, weil er ein potenzielles Risiko ist.“ Zuvor hatte auch der Bären-Beauftragte des bayerischen Umweltministeriums, Manfred Wölfl, ein Schreckens-Szenario an die Wand gemalt: "Vielleicht ist er bald im Englischen Garten."
Am Montag will das Ministerium mit Experten über weitere Schritten beraten. „Bisher war die oberste Priorität, ihn zu fangen. Aber wir müssen jetzt möglichst schnell zu einer Lösung kommen, das heißt den Bären aus der Natur nehmen“, so Himighofen.
Bevor der wilde Braunbär, der seit Wochen durch das deutsch-österereichische Grenzgebiet zieht, tatsächlich bis nach München gelangt, soll ihn Finnlands beste Spürnase, Raiku I, stoppen. Zusammen mit seinem finnischen Hundeführer stieß Spürhund Raiku I am Sonntag zu dem Bären-Suchtrupp, der das Raubtier schon seit einer Woche vergeblich jagt.
Die Verstärkung scheint berechtigt. Denn in der Nacht zum Samstag war der Braunbär seelenruhig durch das Zentrum des oberbayerischen Luftkurorts Kochel am See gestreift, hatte einen Bienenstock geplündert, einen Hasenstall zerstört, sich vor der Polizeistation eine Pause gegönnt - und war seinen Häschern aufs Neue entkommen.
Der Streifzug des Bären JJ1 oder Bruno durch Kochel am See war sein bislang spektakulärster Raubzug. Zunächst plünderte er am späten Freitagabend einen Bienenstock eines Hobbyimkers und verputzte etwa zehn Kilogramm Honig: "Er hat die ganzen Waben rausgeholt und den gesamten Honig aufgefressen. Viele Bienen lagen tot herum", berichtet Kochels Erster Bürgermeister Werner Englert (CSU).
Kurz nach 23.00 Uhr lief der Bär im Zentrum des Luftkurorts im Alpenvorland auf der Straße einem Passanten über den Weg. Dietmar Zeindl war gerade mit zwei Hunden spazieren, als er den Bären plötzlich auf sich zukommen sah. "Er war nur 10 bis 15 Meter weg von mir", erinnert er sich. Zeindl war über den Anblick so verblüfft, dass er nicht einmal Angst verspürte: "Es war mehr ein Erstaunen. Ich habe nur gedacht: 'Das darf nicht wahr sein.'" Der Bär habe einen ruhigen Eindruck auf ihn gemacht und sei anschließend über einen Zaun in den Wald verschwunden.
Etwa eine Stunde später traf der finnische Bärensuchtrupp in Kochel ein. Noch während Zeindl seine Beobachtung schilderte, klingelte das Telefon der Experten erneut: Der Bär war ein weiteres Mal in Kochel gesichtet worden. "Ich war froh, dass noch ein anderer Anruf kam. Denn es ist so unglaublich, dass immer Zweifel da sind: 'War das wirklich der Bär?'", sagt Zeindl.
Der Anruf kam vom Bauerncafé "Zum Giggerer" im Herzen der Gemeinde. Ein Gast habe den Bären auf der Straße vor dem Café gesehen, berichtet Besitzerin Evelin Schuldlos. Vor der Polizeistation nebenan habe es sich "Bruno" sogar bequem gemacht. Später in der Nacht schlich Bruno schließlich auf dem Schröferlhof der Familie Seybold im Ortsteil Ort herum, brach dort einen Hasenstall auf, tötete einen Hasen und ein Meerschweinchen. Die Gutsbesitzer bemerkten den Schaden erst am nächsten Morgen.
Marianne Seybold findet den Gedanken an den nächtlichen Besuch des Bären "einfach unheimlich". Ihre Hofgäste seien noch gegen 2.00 Uhr nachts mit ihrem Hund spazieren gegangen - etwa eine halbe Stunde, bevor der Bär gekommen sei. "Das ist nimmer lustig. Was da hätte passieren können!", echauffiert sich die Hofbesitzerin. Zwar hefteten sich die finnischen Suchhunde noch am Samstagmorgen auf die Spur des Bären, verloren aber bald wieder die Witterung. "Ein starker Platzregen hat die Spur verwässert", erläutert ein Sprecher des Umweltministeriums.
"Bruno macht es uns schwer", klagt der bayerische Bärenbeauftragte Manfred Wölfl. "Er macht Sachen, die man nicht erfinden kann", fügt er mit Blick auf die Rast des Bären vor der Polizeistation in Kochel hinzu. Große Hoffnungen ruhen nun auf der Super-Spürnase von Raiku I. Nach Auskunft des Expertenteams gibt es in ganz Finnland keinen für die Bärensuche besser geeigneten Hund. Allerdings muss zunächst eine neue Fährte des Raubtiers entdeckt werden. Nach seinem Streifzug durch Kochel ist der Bär erst einmal wieder verschwunden.
Hinter einem denglisch-babylonischen Sprachgewirr kann man sich wunderbar verstecken, Wissenslücken vertuschen und Kompetenz vorgaukeln.