AURORA - Geheimtipp unter den "Königen der Landstraße"

Direktpassage nach Finnland? Oder über Schweden? Mit welcher Schiffahrtslinie? Preise, Erfahrungen und mehr.

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Syysmyrsky
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#1 AURORA - Geheimtipp unter den "Königen der Landstraße"

Beitrag von Syysmyrsky »

Neues Deutschland vom 26.03.2008

von Peer Schmidt-Walther
Danilo Dela Cruz steht an der Seekarte und rechnet. Der Filipino schiebt Geodreiecke hin und her, trägt die Ergebnisse in die Seekarte ein. Seine Wache als Zweiter Offizier hat eben begonnen. Draußen zieht die Skyline von Warnemünde vorbei, und der alte Leuchtturm blinkt seinen weißen Gruß herüber. Kapitän Moritz sieht angestrengt in die Dunkelheit. Heute ist seine erste Ausfahrt mit eigenem Lotsenpatent. Sicher und souverän schiebt sich der grüne Schiffsrumpf die Warnow abwärts. Chief Mate und Kollegen haben derweil Pause; sie haben gerade die Beladung überwacht. Wie auf anderen Fähren ist das Car-Deck nun bis zur Ankunft in Hanko geschlossen.

Grün-weiß, 155 Meter lang, 25 Meter breit und 47 Meter hoch – das fällt jedes Mal ins Auge, wenn die schwimmende Stahlgarage in den Warnemünder Seekanal einläuft oder vom Finnland-Terminal im Rostocker Seehafen ablegt. Gemeint ist der RoRo-Frachter »Aurora« der Reederei Scandlines Deutschland GmbH. Viermal wöchentlich pendelt die Fähre im Wechsel mit der »Merchant« auf der kürzesten Finnland-Route von Rostock nach Hanko und zurück. 516 Seemeilen in 32 Stunden.

Danilo hat keinen schlechten Job. Zwar kann er wegen der weiten Heimreise nicht alle vierzehn Tage zwischen Arbeit und Urlaub wechseln wie seine deutschen Kollegen. Aber seine Tochter im Teenager-Alter kann sich daheim mit Papas Einkommen manches leisten: Gute Schulausbildung in der Woche, Badefreuden, Kino und anderen Luxus am Wochenende. Einen schlechten Job hat hier an Bord niemand. Die Frachtfähre mit ihren großen Kabinen wurde nach finnischen Sozialstandards der 1980er Jahre gebaut. Das bedeutet, dass vom Swimmingpool über Sauna, Kraftraum und Tischtennisplatte bis hin zu zwei Aufenthaltsräumen mit Satelliten-Fernsehen alles vorhanden ist, um die Freizeit zu gestalten. Internet-Flatrate, gute Verpflegung und eine Krankenstation für den Notfall machen den Mikrokosmos perfekt, in dem die Seeleute leben. Besuch haben sie selten. Die »Aurora« ist eine reine Frachtfähre. Gerade zwölf Brummi-Fahrer finden Platz.

Der Seehafen Rostock boomt. Rekordergebnis 2007: 26,5 Millionen Tonnen Frachtumschlag. »Ein sattes Plus von 1,3 Millionen Tonnen oder fünf Prozent«, wie Ulrich Bauermeister, Geschäftsführer der Hafenentwicklungsgesellschaft Rostock, mitteilt. Die Fährschifffahrt, so erfährt man weiter, steuerte mit 15,1 Millionen Tonnen erneut den Löwenanteil zum Güterumschlag bei. Auch für Scandlines zeigte sich der Frachtverkehr zum wiederholten Mal als Wachstumsmotor. Das Transportaufkommen lag 2007 bei über 1,1 Millionen beförderten Lkw und Trailern. Eine Steigerung um zehn Prozent. Für 2008 rechnet die Reederei – sie betreibt mit 2400 deutschen und dänischen Mitarbeitern neun Fährverbindungen zwischen Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, Lettland und Litauen – mit weiteren Zuwachsraten vor allem im Frachtbereich. Dies nicht zuletzt ob anhaltend positiver Entwicklung im Ostseeraum und Erweiterung des Schengen-Abkommens.

Finnland hat sich mittlerweile zum zweitgrößten Markt für rollende Ladung (RoRo) gemausert. Scandlines erkannte die Entwicklung und handelte. Bis zu 2170 Lademeter pro Überfahrt bieten die eisverstärkten 21 195-Tonner, die im Winter auch mit der Eisdecke der Ostsee fertig werden. Das sind maximal 130 Trailer inklusive zwölf Trucks. Sechs Doppelkabinen stehen für die Fahrer zur Verfügung. Die »Aurora«-Besatzung ist klein: 18 Mann plus ein nautischer Praktikant und zwei Azubis. Bei einem Rundgang zeigt Kapitän Gabriel Moritz seinen Dampfer auf Wunsch auch den Truckern. Und Chief Peter Siekierski lässt es sich nicht nehmen, durch den »Keller« zu führen. Zwei 6600-kW-Diesel bringen die »Aurora« in Fahrt: auf 16 Knoten. In 24 Stunden werden so rund 40 Tonnen Schweröl verbraucht. Das ist rund siebeneinhalb Mal weniger, als wenn die Trailer mit 500 PS-Zugmaschinen über Land donnern würden.

»Das hält man schon mal zwei Tage während einer Überfahrt aus«, lacht ein estnischer Fahrer und streichelt seinen Bauchansatz. Zwei Köche und ein Azubi sorgen in der Kombüse für das leibliche Wohl. Dass Essen nicht unwesentlicher Wohlfühl-Faktor ist, wissen die Küchenmeister genau. Der junge Mann ist mit seinem 42-Tonner unterwegs – von Tallinn via Finnland ins Ruhrgebiet, nach Holland und wieder zurück. »Nach einer Woche geht's wieder mit einem der beiden Dampfer nach Hause«, freut er sich, der die komfortable »Aurora«-Ruhepause genießt. Das Schiff sei zwar schon 26 Jahre alt, »aber es ist sehr gut gepflegt und bietet Einiges. Außerdem sind wir hier unter uns!« Noch so etwas wie ein Geheimtipp unter den »Königen der Landstraße«.
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